Auch wenn sich dieser April alles andere als sommerlich anfühlt, bei minütlich wechselnden Sonnendurchbrüchen neben dunklen Regenfronten, Graupelschauern inmitten schon maiengrün wogender Buchen, Apfelblüte und Schlammwegen im Wald, so kommen doch die Schmetterlinge hervor und flattern durch die Luft, weil es ihre Zeit ist.
Von Kindheit an begeisterten und beflügelten mich diese Wesen; so illustrierte ich meine selbstgeschriebenen Kindergeschichten mit Schmetterlingsgirlanden.
In der zweiten Hälfte des 17ten Jahrhunderts widmete Maria Sibylla Merian diesen "Sommervögelein" ihr Leben von früher Jugend an. Forschend, aufmerksam, neugierig und liebevoll zeichnend beobachtete sie, wie die von ihr in Pappschachteln gefangenen Seidenspinner Raupen eine zauberhafte Metamorphose durchliefen und als Schmetterlinge davonflogen.
Dies war eine Entdeckung für die Entomologie (Insektenforschung), da man bis zu dieser Zeit gemeinhin der Ansicht war, Insekten entstünden einfach so aus Dreck und Schlamm.
Auf ihren Bildern vereint Merian die verschiedenen Entwicklungsstadien der Raupe bis zum Schmetterling ebenso wie Insekten und Pflanzen als ganzheitliche, unhierarchische Gemeinschaft.
Kakerlaken auf einer blühenden Ananas werden nicht als hässliche oder untergeordnete Wesen, sondern mit liebevollem Blick für die Schönheit des Natürlichen detaillgetreu dargestellt.
Der Dänischen Dichterin Inger Christensen gelang mit ihrem berühmten Gedicht Sommerfugledalen, Deutsch: Das Schmetterlingstal, ein Meisterwerk zum Ende des 20. Jahrhunderts.
"Ein Requiem, das zugleich ein Hymnus auf das Leben ist", zeige, "dass es möglich ist, im selben Atemzug klassisch und gegenwärtig... magisch und analytisch" zu sein, schreibt Durs Grünbein, zitiert in einem Vorwort der 2009 im Märkischen Verlag Wilhelmshorst erschienenen Ausgabe der Reihe "Poesie Album".
Es muss doch eine Wesensverwandschaft zu Merian gegeben haben, eine Erweiterung in die Sprache hinein oder aus ihr heraus.
In die Reihe dieser bedeutenden Frauen möchte ich mich nicht stellen, wohl aber den Enthusiasmus zeichnend und malend fortschreiben, allein aus innerem Antrieb: Schmetterlinge, butterflies, papillons, mariposas, am liebsten aber: Sommervögelein oder Sommerfugle.
Dabei inspirierte mich Eine Gruppe von Schmetterlingen, chō 蝶, von Kubota Shunman, japanischem Maler und Dichter, 1757-1820. Abgebildet auf einer Postkarte aus dem Museum für Ostasiatische Kunst, dem MOK in Köln, diente mir sein poetisches Arrangement teils als Vorlage. So sind meine Bilder ebenso eine Verbeugung vor dem Meister Kubo (窪) or Kubota (窪田) .
Unsere Schmetterlingsreise trudelt nun schon durch gut drei Jahrhunderte und über Länder und Kontinente hinweg.
Meine aus dem Reich der Phantasie gestiegenen
geflügelten Wesen scheinen sich beim freien, keineswegs
naturalistischen Zeichnen und Aquarellieren wie
von selbst in ein Gleichgewicht aus Symmetrie und Asymmetrie, Harmonie und Dissonanz zu setzen. In melodischen Etüden ziehen sie ihre Schleifen zwischen Himmel und Erde, von Blüte zu Wolke, hin und her.
Ja, ich habe das Gefühl, meine Sommervögel sind Vertreterinnen eines kosmischen Gleichgewichts, das mich mitnehmen, einsaugen, emportragen mag zu Licht und Freude.