Pfeil und Brot
Eine Wolke aus Licht verdunkelt sich gibt den Blick frei
auf einen Kontinent
Dort sitze ich oder stehe im
dunklen Licht oder ich
gehe gerade zum Kiosk und
kaufe Brot
Die Straßen liegen gleißend hell
in der Stadt wie schläfrige Schlangen
Mein Haus ist rosa meine Wolke eine Regenwolke aus Wünschen
Ich nehme das Brot und fasse hinein der Teig ist purpurn wie meine Zunge die Zähne spitz - Perlmutt mit Quecksilberkappen -
Ich fasse auch in mich hinein öffne
die Brust eine Luke bewachsen mit Laub
es dampft daraus von heißem Zimt mit
Milch von Bergaffen
Nachdem die Tauben alle hinausgeflogen sind nehme ich den Pfeil und werfe ihn los
Mein Haus ist aus Stein es hat einen Hof mit Mondkies und Blumen von Traurigkeit
Ich muss sie verwandeln sie sind schön
wie mein Pfeil mein gefiederter Pfeil
glänzend schwarz und rot - ein See von Blut eine Nacht aus Rabenschwärze -
Die Blumen duften nach einem Morgen
mit hellem Regen (die Schlangen sind nach Hause gegangen in das Grün - das ist ein
unentdeckter Wald ein Taubendschungel voller Papageiengeschwätz und rauschendem Haar - und unten bei den Wurzelstädten träumen die Schlangen von Bergaffenmilch
und Mondschwertern)
Ich trage das Gift meiner Herkunft in einer
Kapsel auf der Retina es mag schöne Farben haben
wie die Blumen wie das Brot aber es kann weder töten
noch helfen meine Pfeile tränke ich darin die Federn rufen mich zur Verwandlung
Ich streife meine Haut ab eine bröckelige Rinde ein seidengewebtes Bild vom Baum mit Kondor Mücke Wolf Spinne Kolibri undsoweiter der Baum ist ja voller Leben
Rinde und Seide sind Geschwister das Bild verblasst und verrieselt mit der Rinde
Wolke bin ich nun Wolke inmitten der schwarzen Sonne über allen Ozeanen - wie Eisschollen treiben die Kontinente darin
Ich erhebe mich als bunt gefiederter Pfeil
Mein Flug beschreibt einen Bogen und ist ein zitternder Federtanz voller Kraft und tödlich heilender Medizin
Das Sichtbare ist nun unsichtbar
Maria Valewa, Mai 2024
Arrow and Bread
A cloud of darklight reveals
a view of a continent
I‘m sitting there or standing in it or I’m
going to the kiosk and buying bread
The city streets lie glistening
like sleepy snakes
My house is pink
my cloud a raincloud of wishes
I take the bread and reach inside, grasp
the dough is purple like my tongue
the teeth sharpen – mother-of-pearl
capped with quicksilver
I reach in and open myself
the chest, a hatch overgrown with
foliage
it steams hot cinnamon with mountain monkey milk
After the pigeons have all flown
I take the arrow and let it loose
My house is made of stone
its yard filled with moongravel
and flowers of sadness
I must transform them they’re beautiful
Like my arrow, my feathered arrow, glossy
and black and red – a lake of blood a raven-black night
The flowers are fragrant from a light morning rain
(the snakes have gone home to the green
which is an undiscovered forest
a dove jungle full of parrot chatter and rustling hair –
and below the tangled towns, snakes dream
of mountain milk and moon swords)
I carry the poison of my birth
in a capsule on the retina
it may hold beautiful colours
like flowers, like birds
but it can neither kill nor help
My arrows are soaked in it
Feathers summon me to transformation
I peel off my skin, a crumbling bark
a silk-woven image of the tree with condor, mosquito
wolf, spider, hummingbird and so on
yes, the tree is full of life
Bark and silk are sisters
the picture pales and crumbles with the bark
I am now a cloud a cloud in the middle
of the black sun above all oceans –
the continents float in them like sheets of ice
I soar like a colourful feathered arrow
My flight describes an arc
is a trembling featherdance
full of power and deadly healing
The visible is now invisible
Translated by Pat Winslow
Atlanis
Ein Espenflüstern
Der Wald dampft vom Regen mit dem Atem der Wolken die sich soeben ausgeschüttet haben - Linderung für die Weiden - gefesselt eingewebt und leidend
Hört Ihr nicht die Espen flüstern?
Hört Ihr nicht die Weiden weinen?
Und hört Ihr nicht die Buchen schreien?
Ich stehe unter einer Espe über mir der plappernde Lockenkopf - klingend rauschend tönend - schüttelt die Espe ihre Krone
Münzen fliegen herum wie Funken in der
flirrenden Luft - Wir - Espe und ich - stehen zusammen
in einem Tropfen Weltenzeit als wär’s Tau vom Atem
der Ahnen ein geträumter Wolkenzug und
Unten am Espenfuß über ihrem wurzelträchtigen Tiefenreich
breiten sich meine Füße aus - geteilte Zwillinge - eine verdoppelte Pflanze -
ein halbiertes Tier - ein zweifacher Fleck aus gepolsterter Mooshaut - eine Insel -
Und wir versanken ---
So lange sind die Fichten verdurstet
So lange sind die Buchen vertrocknet
So lange sind die Kastanien erfroren
So lange sind die Buchsbäume aufgefressen
Und nun die Weiden - hört Ihr sie nicht weinen?
Kann die Espe noch ein Trost sein?
So ganz alleine?
Ist sie doch das letzte Baumkind im Wald -
Was war nochmal ein Wald? Ein Espenflüstern
Hört Ihr nicht die Espen flüstern?
Hört Ihr nicht die Weiden weinen?
Hört Ihr nicht die Buchen ?
Maria Valewa, Mai 2024
die erde
ist dunkel und riecht nach
leib mein leib ist aus erde gemacht
die milchstraße läuft quer durch
mich hindurch sternenstaub rieselt
an meinen innenwänden herab es
war alles ganz anders gedacht
als ich als mensch gemacht war
kam ich aus einem ofen der hatte
ein fremdes feuer eine offene flamme
die sich vermehrte bäumte wurzelte wogte
ein feld war das leben offen wie eine flamme
alles rollte darüber hinweg ich sah himmel
der himmel war ein ergebnis des im-leben-seins
die sterne waren die pferde des himmels die
pferde sind der erde treu ihre hufe gebrannt ihre
nüstern aus nebel da ich nicht allem treu sein kann
habe ich das gefühl von untreue da ist gras da sind
vögel stimmen zwischen himmel und erde immer
gibt es etwas was mich hält stürzt einwebt die menschen aber
zu denen ich selber gehöre scheinen mich vom leben zu trennen
wie von ferne rufen sie ignorieren mich sie rufen meinen schatten
ein abbild von mir das nichts sagt weil es nichts zu sagen gibt für
ein abbild eine pfütze bildet sich verschlossen die oberfläche
alles schweigt das leben ist ein wald und ich bin eine reise
die erde ist dunkel und riecht nach
leib mein leib ist aus erde gemacht
die milchstraße läuft quer durch
mich hindurch sternenstaub rieselt
an meinen innenwänden herab es
war alles ganz anders gedacht
als ich als mensch gemacht war
kam ich aus einem ofen der hatte
ein fremdes feuer eine offene flamme
die sich vermehrte bäumte wurzelte wogte
ein feld war das leben offen wie eine flamme
alles rollte darüber hinweg ich sah himmel
der himmel war ein ergebnis des im-leben-seins
die sterne waren die pferde des himmels die
pferde sind der erde treu ihre hufe gebrannt ihre
nüstern aus nebel da ich nicht allem treu sein kann
habe ich das gefühl von untreue da ist gras da sind
vögel stimmen zwischen himmel und erde immer
gibt es etwas was mich hält stürzt einwebt die menschen aber
zu denen ich selber gehöre scheinen mich vom leben zu trennen
wie von ferne rufen sie ignorieren mich sie rufen meinen schatten
ein abbild von mir das nichts sagt weil es nichts zu sagen gibt für
ein abbild eine pfütze bildet sich verschlossen die oberfläche
alles schweigt das leben ist ein wald und ich bin
eine reise
tansania
am boden deines hohen zimmers kauerst du durch die fenster kommt dunkel und hell hinein gleichmütig dem grün und grau gegenüber das ineinander fließt von außen und innen gleich- gültig auch gegenüber dem leben und dir kauernd auf deinem lager einem niedrigen holzgestell das du nicht mehr verlassen kannst seit jahren schon hunderte tage tausende minuten und wieviel schleichende sekunden von der decke wächst ein pflanze rankt blüht rostrosa und etwas bleich rot ohne das schmetterlingsblau der bougainvillea und etwas blass getüncht aus tansania sagst du und lächelst vom himmel rauschen blätter und blüten an dünnen stängeln im erstarrten fall ein exotischer faltenwurf auf einem barocken gemälde außenherum kargheit das wesentliche festgehalten himmel dieser hölle dort wo die wände aufhören oben und unten ganz gleich die villa um dein zimmer herum war einmal weiß ein altes schloss umstanden von noch älteren bäumen heimischen kastanien bald werden sie blühen ihre flammenden kerzen anzünden die treppe aus sandstein wächst täglich die aufgabe sie zu überwinden mit dem liegerollstuhl der hat das meiste gewicht sagst du und lachst ein wenig ich lache zurück und denke zu schwer für mich früher aber hätte ich es gekonnt oder einfach gemacht ohne auf mich zu achten das machbare liegt im eigenen ermessensraum so aber wurde das schloss zum dornröschenschloss eingewachsen in die undurchdringlichkeit dieser aufgabe die prinzessin zu befreien durch einen kuss sie erwacht und der alptraum ist vorbei oder der weg führt über die rotblühende pflanze aus tansania die aus dem fenster wuchert der prinz klettert an ihr hinauf zu dir ich sage ich habe auch so eine pflanze die wuchert meinen ganzen arbeitstisch zu so dass ich nicht mehr daran arbeiten kann sie kommt aus südindien und fühlt sich offensichtlich wohl bei mir du aber bist in tansania geboren deine haut ist etwas braun wie eine erinnerung an afrika deine hände sind lang und elfenbeinweiß und sehr dünn mit zwei fingern ziehst du langsam eine krause locke aus deinem langen schwarzen haar und drehst sie sagst ein guter tag sei wenn du zur tür kommen kannst und sie öffnen so bin ich hereingekommen nun sitze ich dir gegenüber auf dem boden auf einer decke die decken und kissen auf deinem lager wirken gemütlich und romantisch es ist ein schöner hoher altbau allein die pflanze nutzt die höhe es muss die hölle sein so zu leben denke ich und schäme mich dass ich so oft ans sterben denke und dass gedanken an den tod mich erleichtern.
April/ Mai 2023
Ich habe eine Sonate im Herzen,
im Weltenherz, das zittert, bebt und dröhnt.
Über einem
Bett, durch das elektrisches Wasser fließt, erheben sich Felsen, Flora und
Fauna
der Nacht.
Ich möchte in den blauen Mond klettern und in seiner spitzen, stechenden Sichel schaukeln.
Wer liebt, der leidet,
flüstert es durch meine Gewebekammern voll von Planetenstaub.
Tintenwände marschieren auf uns zu, Schattenruß, und die Sterne werden zu Geschossen.
Begleitet von Orgelklängen fliegen meine wahnsinnigen Hermelinfäuste.
Seht ihr,
wie wir um unser Leben kämpfen?
Niemand ist alleine, doch wir sind getrennt von Tintenwänden.
Nun rattern wir auf Riesenschiffen durch Galaxien,
alle Erdenbewohner sollen Federn sein und auf Cembaloseiten tanzen.
Ich habe eine Sonate geerbt und eine Palette voller Erd- und Himmelsfarben.
Morgen werde
ich weiterschreiben und vergeblich
darauf gewartet haben, dass in der Frühe
der Hahn krähe, die Katze käme und
mein Hermelin sich mit dem Fuchs und tausend bunten Vögeln im Baum meiner
hohen Felsenkathedrale satt tränke.
9. März 2022
Gewitterbäume
Januar 2022
Besuch beim Seehund
Mit meinem Fernrohr hole ich die Welt heran
Scharfgestellt oder verschwommen
zittern Details und Fragmente im
Oval meiner Sicht die Ränder
laufen aus
Zeit ist verklärt und surreal die Welt
Ich sah Seehunde auf einer Sandbank
in der Nordsee liegen das Ausflugsschiff fuhr
nah vorbei
Doch von da oben von Deck aus gesehen
waren die Tiere viel zu klein
Sie waren irritierte Umrisse am Rande der
See zwischen Schiff und Land
Ich wollte ihrem Blick begegnen mit ihnen
eine Pfeife rauchen einen Schwatz halten über das
Seehundleben und das Menschendasein
oder auch nur über das Wetter an diesem Tag
Durchs Fernrohr zitterte das Bild wie
Tee in einer dünnwandigen Tasse
Ich sehnte mich nach Nähe und Besonderheit
Der Seehund und ich das auserwählte
Menschenkind von dem er sich das
silberne Fell streicheln lässt und in dessen Armen
er seinen stromlinienförmigen Leib biegt und
dabei wohlig quiekt
Das Schiff dreht ab die Spur ein
weißschäumender Fuchsschwanz auf See
Der Seehund windet seine zweigeteilte
Hinterflosse ineinander klatscht mit seinen
Vorderflossen an den Körper lässt die Barthaare
erzittern und
bittet mich zu Wasser
Sommer 2021
März/ March 2021
Wenn der Abend fällt
ziehe ich meinen Pelz aus
und bekleide mich mit Federn.
Farn
Auf dem Feld: Blätter aus Pappe, Karton und altem Leder.
Erster Raureif, fahles Birkenlaub, Aschefarne.
Ich schreibe nicht mehr, treibe nicht mehr, arbeite.
Die Zeit ein Sieb.
In diesem Jahr ist das Gras hochgewachsen.
Wenn wir Abschied nehmen, wird die Trauer über unser Fehlen
und unsere Täuschungen aufsteigen wie Frühnebel.
Wir rollen uns ein und weinen nicht mehr.
Wir gehen in die Erde, umschlungen wie
Monde mit Lianenarmen.
Wir treten ein und steigen auf.
Eines Tages sind wir Moleküle, Sterne,
Gras, Schädel, Staub.
Sind wir Teil des Meeres und ein Feuer am Himmel.
Heute rolle ich mich ein mit Zacken
auf der Haut, der Winterhaut.
November 2020
Leben
Ich lächele dem Morgen
ins Gesicht
Höre die Vögel
Mit meinen Augen
küsse ich den krummen Baum
voller runder Früchte
Eine glückliche Schar in freundlichen Armen
Ich kann tun und lassen was ich will
Ich lasse den Fluss fließen
Sei keine Sklavin, sei kein Narr!
spricht er zu mir, während
ich Tränen der Freude und der
Traurigkeit weine
Eine Frucht fällt
Wange an Wange sind wir
Fremde, Reisende, Forscher
Neugierig
frage ich:
Bist du schon reif?
Denke:
Vögel werden essen, was ich mir
hätte schmecken lassen
Und beiße zu
schnell und
schlucke
Süß und bitter
Haut und Fleisch und Saft
des Lebens.
Life
Smiling into the morning’s face
I lie under a tree
Hearing the birds
With my eyes
I kiss the crooked tree
full of rounded fruits
A happy crowd held in friendly arms
I can do what I want
I watch the river flow
Don’t be a slave, don’t be a fool!
it speaks to me
while I cry tears of joy and sadness
A fruit falls
Cheek to cheek we are
strangers travellers explorers
Curious
I ask
Are you ripe yet?
Thinking
Birds will eat what I could have tasted
I quickly bite and swallow
sweet and bitter
skin and flesh and juice
of life.
Scharen von
Platanenblätterkrebsen
hasten über Plätze und durch Gassen
Wasser spritzt über gefrorene Kastanien
Aus Bäumen geschnittene Engel
bewachen die Toten in der kalten Kirche
aus sonnenheißem Stein
Diesen einen gerade Gegangenen
und Gekommenen haben sie
vor ihre Füße gelegt
Dort weilt er im Zwischenraum
weder an- noch abwesend
Er summt einen langen Ton der sich
ausbreiten darf in diesem Gebiet
Launisches Gelb sonores Bernsteingold
Veilchenviolett und Bleiweiß
sickern in das leiser werdende
Summen es
Zieht aus den Spalten und Schlüssellöchern
hinaus durch Gassen und über Plätze
Reitet auf Platanenblätterkrebsen
mit dem Wind
zum Wasser
zum Ursprung
ins Blau.
August 2020
Kauernd auf dem Schnabel
eines Vogels
kleiner als Nils Holgersson
trete ich an die Welt zu retten
Hoch oben reisen wir entlang der Flüsse
Unter uns glitzern und gleißen
sie in diffusem Licht
Nervöse Adern
Quecksilber Venen
Herzen fielen vom Himmel
wie Stare
verstreut
ein Massengrab
ein Muster
Ein Herz fliegt mit mir
unbekannt.
Umhüllungen
Blau ist die Farbe der Tage
Zumindest der Himmel spricht klare Worte
Die Natur ist ein freundliches Haus
Eine samtene Hülle
Warme Luft vermählt sich mit Märzkühle
Eine taubenetzte Weide spannt sich
über das Wurzelwerk meiner Seele
Ich klaube aus den Rillen und Furchen der Tage
Verlese streue schlafe spreche
Mein alter Wald ist neu erwacht
Die Zugänge geöffnet wie
wächserne Münder mit Zungen aus
Wildbienenhonig
Ich stecke meine Hände in den Boden
dann in den Bach
Lasse sie an der Sonne trocknen
Hineingestreckt in den Äther werden sie transparent
Sie fassen pastellfarbene Monde
Die gehen auf weichen Pfaden
scheu wie Rehe in der Dämmerung
Traumwandlerisches Erwachen in Corona-Tagen.
Der Fuchs
Ich gehe hinaus
aufs Feld
Renne durch Alleen weißer Blüten
Der Himmel schreit vor Erwartung
Mein Herz ist bei Bäumen
In den Nestern hoch oben
in wiegenden Wipfeln
Stimmen heften sich
an Blicke ins noch kahle Geäst
mit Zweigen und Knospen
Meine Füße pressen sich ins nackte Gras
All meine Sehnsucht ziehe ich aus und werfe sie davon
Der Fuchs springt aus meinem Leib
Nach dem Spaziergang sitze ich am Fenster
eine Schale süßen Tees in den Händen
Vor dem Mund rosaroter Schaum.
blau
kurz vor zwielicht spendet
der himmel kühle
krähen schaukeln auf augenhöhe
in den krallenfingern der bäume vor
meinem balkon
lauern auf beute noch bevor
die händler die bühne betreten mit
körben voller hoffnung
gottgott ist in krähen und quallen inhunden und sardinenseinwillegescheheder krähenquallenhundssardinengottwohnt hier am horizontein paravent aus dunkelviolett
BULGARIAN SUITE
Two swallows
There were two swallows in my room tonight. First they tried to escape the trap of my sleeping room, flapped their wings and circled around the ceiling, screaming. The room was full of darkness and birds’ screams. Then one swallow entered me through my right nostril. The other swallow wanted to follow but chose the other nostril, and this one was closed. So it remained a prisoner between the walls of my sleeping room, front, back, sides, floor and ceiling.
The bird inside me dived into my sleep, followed the meandering tunnels of thoughts, reached the trail into my past. I could feel its darkness. It touched my bones inside the flesh, the inside of my skull. Never had I been touched by feathers inside my body. At that moment I could not know it was a swallow, I was deep in sleep. But I felt that I had been entered by someone or something and I also anticipated the presence of another something in the room.
My dreams went mad. My breath stumbled. And then I heard a name: Paul. It was the name of my fantôme. Now the language of my dreams changed. Not into French, the language of my fantôme, but into Farsi. Paul, the swallow, flew peacefully, glided through the space of my dreams, rode on the waves of this strange, new language. He found doors, some open, others closed, locked, and with a touch of his wings he opened all the locked doors, freeing the prisoners of my past.
At dawn I woke. I got up and opened the window for the other swallow to go free.
Moon and Bones
The wind pays a visit to the air around the moon.
Almost half of the moon is missing, it is hidden in a velvet carpet.
Skulls hang in the moon, she collected them. They battle, bang and ring in the midst of a starry night. Some bones crack, splinters fall. Down and down all the way into my sleep, where I wrap them in dark velvet, nicked from the moon.
Then I make a bundle, take it to the river and let go. All the secrets.
Forest Triangle
There is a triangle formed by a little chapel, a spring and an abandoned house.
The chapel has one bell, the spring leaves the earth through two channels and the abandoned house has three windows with golden shutters.
The triangle is situated in the mountains of a faraway country. Only vampires and vixen live here. The abandoned house used to be a school for vixen priests. Nothing is known about their religion, their prayers, their beliefs. Sometimes they rang the bell, they always drank the water of the well and never did they open the golden shutters of their house.
I wonder why.
The old man
In the little chapel
on the hill
above the village
thoughts dwell and gather
The chapel is small
the thoughts are a crowd
growing fast
No thought can leave the chapel as
the doors and windows are always shut
Out of the thick shrub
an old man appears with an axe
With his axe he violently
opens the door
This morning
I caught sight of a bird
Sunlight hit the yellow
underside of its wings
I think of no one
but you
The speaking tree
I sit under a walnut
short trunk on a big body
with multi-fingered hands
that make a roof for
everybody who wants to rest here
I look up and listen
Green is the language of trees
when they are happy
The Cuckoo
Early in the morning
and then all day the cuckoo
is calling people
to leave their houses, their
village, their families their lives
to abandon past and present and
go to the mountains where
the cuckoo lives
Houses remain
clay and wood
ready to decay
Cats and dogs stay behind and
feed themselves on the abandoned chicken
until the cuckoo calls for them at last
We will all live in the mountains
we ride into the open
Lying on the ground
we daydream in the
canopy of a walnut
We drink from the spring
The clouds above sail
as their shadows remain
Das Dorf ist eine alte Frau
Die Stimme des Dorfes ist eine alte Glocke
schwer tönt sie in D
Aus der Stirn des Dorfes wächst ein Nussbaum hervor
In den Augen des Dorfes schwimmen Lichtflecken
Blätter im Fluss, getrübt
vom Licht der Tage, doch sternenklar
in der Nacht
Die Nase des Dorfes ist der Knochen eines gemordeten Huhns
umformt von Lehm, innen ausgepolstert mit Moos
Der Mund des Dorfes ist ein halb verfallenes
Haus, es riecht kühl und modrig zwischen den Staken
Springkraut die Zunge, lila der Atem
Das Kinn des Dorfes ist eine Bushaltestelle
plakatiert mit Gedenken an die Toten
Die Dorfstraße ist der Hals, der vom Kopf in das Rückgrat mündet
Eine Schlange erzählt
Der Rücken des Dorfes ist breit, Weinblätter spannen sich über die Schultern
Reben durchwachsen den Bauch
Das Geschlecht voller Trauben, vergoren zu Wein für die
Lebenden und die Toten
Die Hände des Dorfes sind Holunderblüten
Dolden die Handteller
Die Füße des Dorfes sind geteilt, einer liegt in Ketten,
der andere ist frei wie ein Straßenhund
Aus den hözernen Knieen des Dorfes ruft der Kuckuck
einsam und beständig
alle Zeit.
In the yard of Rila monastery, early morning
The old woman’s wig
She walks over the huge cobble stones
as if sailing over waves.
An ocean between every building of the monastery
She wears big hair, white and curled like a baroque
wig imitating the motion of heavy sea
Or is it a fountain, a waterfall coming
from the fountain of her head that has grown
thick and bold and white since she was a newborn
baby the crown open to receive
whatever God wanted her to become?
Judgement day
I listen to the sunlit air
the breath of silence
Snow on the mountaintops
behind the forest in which the
walls of the monastery lie
Snow is light, is sun
the monastery is painted in snow
Birds announce the immaculate
perception of the day
Birds are not welcome here
Gunfire and raptors’ screams are fired through
loudspeakers every other minute every day
until judgement day
Who decided to sacrifice
the silence and sanity of birds
for clean roof tiles?
How will they be judged
in the end?
You’re never alone in the forest
River roots spread out into light
and darkness of the earth
Stone faces stare under wild hair, glass
beads constantly falling over their foreheads
Wood snakes respond to the rhythm
of water currents
On my tongue I taste the violent
sweetness of life in a blossom
All is kept together by growth and decay
that make things wander, stretch and shrink
fast as the flight of a bird, slow as the feet
of a mountain
I’ll never forget the day when the huge fingers of
a forest demon opened up my cage and let me fly
for a while.
Du bist niemals alleine im Wald
Flusswurzeln breiten sich aus ins
Licht und Dunkel der Erde
Steingesichter starren aus wildem Haar, Glass
Perlen fallen beständing über ihre Stirn
Holzschlangen antworten auf den Rhythmus
von Wasserströmungen
Auf meiner Zunge schmecke ich die brutale
Süße des Lebens in einer Blüte
Alles wird zusammengehalten von Wachstum
und Verfall, sie lassen die Dinge wandern, sich
ausstrecken, schrumpfen
schnell wie der Flug eines Vogels, langsam wie
die Füße eines Berges
Nie werde ich den Tag vergessen,
als die riesigen Finger eines Walddämons
meinen Käfig öffneten und mich
fliegen ließen
für eine Weile.
Reise nach Bulgarien, Mai 2019, zum GOAT MILK FESTIVAL in Bela Rechka und zum Rila Kloster.
Siehe auch Video Poems im Post vom Juli 2019 und prosa II.
Papier Mâché Masks
Blue, red and yellow balloons
fill up with air from our lungs
The round openings between
our lips - don’t bite now!
Bubbles jump up and down
before our faces, our eyes
rising above them, circular
of astonishment and effort
while the balloon inflates
Now we rub glue onto its surface
stick paperscraps on top
layer by layer it grows a new skin
smooth, solid, rough, brittle, tender
After the party I take the masks
into the house and lay them out to dry
Water vanishes from paper
Air vanishes from the balloon
The new covers harden
while their inside skin shrinks, finally
detaches, falling away like a withered plant
Somewhere in theses larvae
our breath is contained, talks,
thoughts, laughter,
the touch of our hands
July 2019
All is nature
The bright sunshine
forces out my rage
brings up grief
soaking into a dried out groove
Full of tenderness stand dandelion clocks
waiting for their promised ease
The high grass offers shelter
in the waft of its firmly rooted
hair in which light plays
With its tips it could transfix
butterflies and its edges are sharp as knives
Spiders of dandelions cling to
their stems ready to jump and attack
Green shows its vitality
it can devour whom it wants to
at any time
In my garden darkness and light are one
I decipher the humming and chirping
All is nature and my thoughts
roam freely in it
I have tried to build a house around
my body of thoughts but even
firmly closed windows and doors
can not keep it tight
There is no protection from who we are
Alles ist Natur
Der strahlende Sonnenschein presst die Wut
aus mir hervor
schwämmt den Kummer hoch in eine
rissige Furche
Zärtlich stehen die Pusteblumen
und warten auf ihre versprochene
Leichtigkeit
Das hohe Gras verspricht Schutz im
Wehen seines fest verwurzelten Haars
das Licht spielt darin
Doch mit seinen Spitzen kann es Schmetterlinge
aufspießen und seine Kanten sind messerscharf
Löwenzahnspinnen halten sich an ihren Stengeln
bereit zu springen und anzugreifen
Grün zeigt sich vital
doch es kann verschlingen wen auch immer
es will zu jeder Zeit
Helldunkel ist eins in meinem Garten
Ich entziffere das Summen und Zwitschern darin
Alles ist Natur und meine Gedanken
wildern in ihr
Ich habe versucht ein Haus um meinen
Gedankenkörper zu bauen
doch auch fest verschlossene Fenster und Türen
halten es nicht dicht
Es gibt keinen Schutz für die Natur
die wir sind.
Mai 2019
Rote Kugel mit Lichtglatze,
nun verschwindet
der gleißende Zipfel.
Rot, mild und pur nun
der Körper, nicht mehr schamlos nackt mit
diesen kalten, harten Stellen, Hieben und Malen,
die bloßliegen vor den Blicken der Sternenheit.
Langsam glitt der Schatten der Erde hin
ihn zu dunkeln und zu decken
ins Gleißenlose,
Ohnegleißen.
Er ist mir lieb, der rot verhüllte Himmelskörper,
leuchtend
in seiner Sanftmut und Seltenheit.
Meine Augen lauschen,
das Fernglas zitternd in meinen Händen,
schließt sich das Blickfeld zum Kreis.
In der Mitte die atropinbeträufelte Pupille,
ein Fohlen geht in ihr herum
und säugt sich an unbekannten Formenwesen.
Väterchen Frost fährt vorbei, schaut
herein durchs aufgesperrte Fenster, das Wehen
seines klirrenden Bartes weckt meinen Geist
kalt auf, Sternenplankton strömt in mein Maul.
Lichter fallen an im Dorf,
die Dorfstraße bleibt ruhig in ihrer Drehung
hin zum Nachbarhaus.
Da bellt ein Hund,
da knacken Zweige nah und fern.
Was raschelt dort?
Heiser ruft es aus dem Wald und schweigt dann
herüber zu uns,
zu mir und meinen Sinnen und Gedanken,
eine nächtliche Großfamilie im faltenlosen Kuppelkleid.
Dunkle Seide, bestickt mit glitzernden Punkten und Eleganz.
Sternenmond,
beim Untergehen in den Wald hinein
ist er gespickt mit Strahlenspießen,
sinkt in schwarze Fläche mit gezackter Kante am Horizont
hinter dem Wirrwar der Zweige am Baum vorm Haus.
Es dämmert und dann wird es Tag, ich vermisse
die Nacht wie einen Liebhaber,
der seinen Samen in mir hinterließ.
21. Januar 2019
A Simple Piece of Peace
Do I know peace?
There is always something missing
it seems
Do I know war, which has to be the opposite?
I was told that I live in peace
and that I have to be grateful not to know
sirens, war planes, nights in bomb shelters,
burning houses and other horrors of war
Indeed, I learnt to be grateful for that
But still I wonder: who are they,
war and peace?
Brother and sister, Janus-faced twins?
Why can’t I find peace in my heart
although I do not know war?
I am a child of peace and
a grandchild of war
I am an heir of both
In the morning I ride
on the back of my horse
into the autumn forest
Golden rays of light fall
through the fir trees
on the mossy ground lie
red and yellow leaves
and brown cones
Birds fly up, soft noises of
breaking twigs under
my horse’s hooves
I sing a song to my horse
her ears move gently back
and forth, when she listens
There is no world outside
the autumn-scented forest
around us
There, a seed falls from
the beak of a bird
A shoot will grow from it
next spring
growing up
becoming a tree
After a long time
the canopy will reach the sky.
Eva Wal, Oktober 2018
Frieden is so einfach
Kenne ich Frieden?
Immer scheint etwas zu fehlen
Kenne ich Krieg, der das Gegenteil sein muss?
Es wurde mir gesagt, dass ich in Frieden lebe
Es wurde mir gesagt, dass ich dankbar sein muss,
keine Sirenen, Bomber, Nächte in Bombenkellern,
brennende Häuser und anderen Kriegs-Horror
erlebt zu haben
Dafür dankbar zu sein, habe ich gelernt
Doch immer noch frage ich mich, wer sie denn sind,
Krieg und Frieden?
Bruder und Schwester,
ein janusköpfiges Zwillingspaar?
Warum kann ich Frieden nicht im Herzen finden,
wenn ich den Krieg nicht kenne?
Ich bin ein Kind des Friedens
und ein Enkelkind des Kriegs
Ich bin Erbin beider
Am Morgen reite ich
auf dem Rücken meines Pferdes
in den Herbstwald
Goldene Sonnenstrahlen fallen
durch die Fichten
Gelbe Blätter und braune Tannenzapfen
liegen auf moosigem Grund
Vögel fliegen auf, leise knacken
Zweige unter den Hufen meines Pferdes
Ich singe ein Lied für mein Pferd
Sanft bewegen sich seine Ohren,
vor und zurück, wenn es mir lauscht
Es gibt keine Welt außerhalb des
herbstduftenden Waldes, der uns umgibt
Da fällt ein Samen
aus dem Schnabel eines Vogels
Ein Schössling wird keimen
im nächsten Frühjahr
aufwachsen und
zu einem Baum werden
Nach langer Zeit
wird die Krone in den Himmel reichen.
Eva Wal, November 2018
(c) Eva Wal, VG Bild |
The Wind Knows
Poem about a Poem
for a little boy
In the morning
just before raven
wipe their eyes with
the tips of their wings
and a rainbow stretches
from the green horizon
towards your window
over your house to another
horizon behind
dreams tiptoe away
a poem unfolds from
under your bed, creeps out
and asks: may I reveal myself?
A daydreaming poem
a poem about friendship and
cats, for example, about bright
things and the dark
about ghosts in the chimney,
the poem whispers
A poem made of voices outside
of your window, swaying over the field
whistling, piping, rattling
where the rainbow has just faded away
You hear laughter and sobs
the poem wants to tell about longing
and joy and hope and everything that is
important and cannot be said in sentences
with words put together like a puzzle into
a picture that everyone understands
By the way, no picture is understood
by anyone in the same way
So the poem crawls back under your bed
while you go to have breakfast
The poem will never be written
only you know the words and the voices
that you will share with the wind.
(c) Eva Wal, OKTOBER 2018, VG Bild |
Die tägliche Reise der Seerose
Transzendenz
I
Ich atme von
außen nach innen,
von innen nach außen,
mit dem Licht,
mit meinen Blättern und
meinen Farben
atme ich
Ich öffne und schließe die
Augen und den Mund,
die Hände und den Blätterleib
um meine Mitte
Mein Spiegelbild breitet sich aus
wie ein Gewand und singt sirenenhaft
Blind, doch mit geöffneten Augen
falle ich durchs dunkle Wasser
An meinem Stengel entlang geht die Reise
ins Labyrinth der Tiefe am Grund
II
Ungewiss ist alles,
nichts wissen meine Augen, nichts
Mein Blick, gefangen in
den Augen eines winzigen Insekts,
fliegt auf von der Wasseroberfläche,
hoch hinauf ins Blau, das der Tiefe gleicht
Verschwunden ist das kleine Insekt,
hinter der Tujahecke mit
Millionenscharen geschwätziger Vögel,
verschwunden ins Jenseits,
doch meine Ohren bleiben am Grund
Ungewiss ist alles,
nichts wissen meine Ohren, nichts
Hummel und Libelle,
Schmetterling und Fliege,
Mücke und Wasserläufer,
sie alle kommen und verlassen
mich wieder zu jeder Zeit,
denn sie sind nur Besuch
Zuhause aber bin ich auf der Reise
in die Tiefe und hoch hinaus ins Himmel-
blau, ins Jenseits hinter der Tujahecke
Von innen nach außen,
von außen nach innen
geht mein Atem,
und ich gehe mit
Ungewiss ist alles, nichts ist gewiss
(c) Eva Wal, VG Bild, Juli 2018 |
Orkan
Ich wohne im hellen
Auge des Sturms
Blaumeisen schwingen
mit Orkanböen
Der Tanz der hohen
Tujahecken ist viel zu
wild für die alten Damen
doch sie halten zusammen
Im kahlen Geäst der Birken
an der Auffahrt lachen die
Schutzgeister mit hohlen
Stimmen
Gelbe Wolken reisen in schneller
Fahrt am Himmel, sie bescheinen
das Blau und drängen sich vor die
Dunkelheit
Im Haus gegenüber, dort, wo die
Fensterläden fest an der Häuserwand
kleben, wohnt eine Verstorbene
Ich bringe den Vögeln Futter in
den Sturm; sie sollen gestärkt
sein für den großen Spaß auf hoher
Sturmsee
Die Vögel sind lebendig, auch wenn
die Geister von Toten in ihren Kehlen
wohnen.
Januar 2018
πάντα ῥεῖ
da alles fließt,
fließe ich mit
der zeit
silbern tanzt
das licht auf
dem wasser
und manchmal
tanzt ein silberhaar auf
meinem kopf
älter werde ich nicht,
denn jeder moment
ist gleich,
doch zu keiner zeit
gleicht ein moment
dem anderen.
oktober 2017
(c) Eva Wal, Juli 2017 |
Drei Gedichte
***
***
Edition März 2017, (c) Eva Wal |
Die Vögel fliegen aus dem Himmel
Die Vögel verlassen den Himmel
Laub liegt Schicht um Schicht
auf dem Boden des Waldes
Die Häute der Natur
***
Ich spüre die Zeit, das Kommen und Gehen jedes einzelnen Moments
Die Zeit zu sehen, ihr zuzuhören, in den Dingen zu sein, ist
wie eine verbotene Frucht zu betrachten, das Leben zu belauschen,
den Tod seiner Wege gehen zu hören, seine Schritte, seine Blicke
zu spüren
Und es rauscht und raunt: Tod
und Leben; Leben und Tod sind eins
Die Zeit gehört niemandem
Wir alle teilen sie
Sie ist ein Gewicht,
ein Berg
Ein unsichtbarer Faden aus der Mitte der Stille
***
Der Wind bläst mit einem Grinsen
Fische ins bleigraue Wasser
Kalt ist die Luft in einem dunkel gestirnten Himmel
Ich atme die Sterne
Ich sehe die Sterne Sterne regnen
Ein Eisdrache steigt auf
Klirrende, grimmige Worte
sinken ins bleigraue Wasser
Ich wandere in der kalten Nacht alleine,
ungesehen, ungehört; ich bin in meine
Nacht gefallen
***
Die Welt ist weiß und friert
Die kleinen Kristalle machen sich fein
Schnee mit schwarzen Flammen
Zeichnungen in seidenen Händen
Ich halte die Zügel in losen Händen,
öffne und schließe die Augenhände
Die Zügel verdoppeln sich, vermehren sich,
gesponnene Fäden aus Frost und Moos
Die Zügel der Zeit
***
Nachts donnern Schneelawinen vom Dach;
dramatisch, wild, frisch der Klang
Gongschläge in meinem Geist
Die Vögel singen aus dem Schnee
Der Schnee ist voller Vögel
Ich tauche meine Hände in Kamille
Die Vögel haben den Himmel verlassen
Der Himmel ist Schnee
Aus der Zeit gefallen,
meine Wahrnehmung eine Spindel,
eine stechende Blüte, eine Frucht aus Glas
***
Weit entfernt schwebt mein Geist in schwindelnden Höhen
Schneefedern am verletzten Körper
Süßer Atem, Geruch von Mandeln,
der Körper gefüllt mit warmem Brot
Wolkenerinnerungen, Glocken
im Labyrinth,
ohrenbetäubend
Lichter im Schnee
sind
Schneelichter am Himmel
***
Aus: Schneelichter am Himmel, Edition, März 2017
Geisterzuschauer
Tee, Tusche, Tinte,
Tee, Tusche, Tinte,
(c) Eva Wal, September 2016 |
Aimé-Jules DALOU „Schlafendes Baby“, 1872 -78 |
Wieder Nacht
Nachts aufstehen und ein Gedicht schreiben, ein kugeliges, und nicht
schlafen; der Mond scheint durchs Fenster, und ich bin nicht am Meer
Die Zeit ist um die Ecke gerollt, Schritt für Schritt wandert mein Leben
in die Nacht - was für eine Nacht?
Ein Garten liegt um sie herum, ein dunkler Garten um die Nacht gewölbt,
Wenn man versteht, dass man unter die Lebenden nicht passt, nichts zu tun
hat mehr, dann geht man in die Stadt der Toten und dreht einen Film
Jede Nacht wächst ein weiterer dunkler Garten um die Nacht,
und Blumen mit großen, farbigen Blättern stehen darin;
die Farben aber sieht man nicht; man ahnt sie, weil sie Duft verströmen
Süß, verlockend, geheimnisvoll
- was für ein Geheimnis?
Die Blumen versprechen, nichts zu sagen, zu schweigen; sie bleiben in
der Dunkelheit; denn jeder Tag ist ein Verrat
Cemitério des Prazeres, Lisboa |
Pfauen und Tauben-
Flatterschlag-
im Garten empfangen uns freundliche Geister, umschließen uns ihre leisen, leisen Rufe-
ihre Arme, ihre Ahnen-
Wurzeln und Arme, ganze Städte aus Geisterarmen und schlingenden Silberrinden-
die Hände verschwunden in den Baumkörpern und Rümpfen-
Fangarme, freundschaftlich ausgestreckt zum Anfassen und Unterhaken
Alt, vertrocknet, geschrumpft und glatt wie Eis-
filzige Strähnen die Haare-
die Beute darin verstrickt– ich bin die Freundschaftsbeute-
Palmen mit Röcken und orientalischen Pufferhosen-
und draußen ein nach Kaffee und Abfall duftender Fluss,
der sehr lange und langsam ins Meer fließt
Das Stöhnen der Ahnen und ein Lärm von sehr weit her-
keine Sehnsucht, alles ist still
Die durchdringenden Schreie der Pfauen-
erstickt
Es rauscht das Ärmelflattern der Tauben dicht an unseren Wangen
Jardim Botânico in Belém, Lisboa |
Komm wir hauen die Sterne blau warten nicht mehr ab fressen
Perlmutt bis er uns von innen zersetzt komm wir schlagen um uns
mit weichen Flügeln wie Taschentücher vollgeweint
Die Sprache stockt wird zu einem leeren Stein am Strand es gibt
nur diesen einen einzigen Stein der übrig blieb vom Leben hüte die
Worte wie Steine die Steine wie Feuer lass das Licht verlöschen
Wie stabil die schönen Muscheln sind
Perfekte Wesen, die sich aus dem Sand erheben, liegenblieben;
angeknabbert, teilzerstörte Persönlichkeiten, traurig, leise, übrig,
den Wellen zugehörig
Im Inneren strahlt die Perlmuttlampe, und das Licht lässt die
Landschaften erstrahlen wie Traumländer
… Es ist, als ob der Wind, dieser frische, aber heute fast zärtliche Diamantwind (weil er aus dem Diamantblau des Meeres kommt und sich dem Himmel verliehen hat) alles direkt durch mich hindurchpustet
Und ich rufe froh: Ja und? Was soll’s?
Folge Deiner Bestimmung nach diesem halb vergeudeten Leben! Schwimme davon im Diamantgewand und lasse diese verdammte Schwere hinter Dir!
Abschied
Letzter Tag
Die Sonne knallt, der Himmel ist frei;
kalter, altlantischer Wind
Abschiedsglück
Nicht bleiben müssen, aber jeden Augenblick bleiben wollen
Das Vergehen ein süßer Aufschrei, ein Hoch
Galé, Algarve, Januar 2016 |
Edition Dezember 2015, "Wellengesang, Glühwürmchen und Polypenerschöpfung" (c) Eva Wal, VG Bild |
Grafiken, Aquarell und Tinte, "Wellengesang, Glühwürmchen und Polypenerschöpfung", Quartalsedition Dezember 2015 (c) Eva Wal, VG Bild |
Grafik (c) Eva Wal, VG Bild |
Gartenland
Grafiken (c) Eva Wal, VG Bild |
In den Dingen
Grafik, Schrift und Buntstifte, (c) Eva Wal, VG Bild |
Leseproben aus der Edition "In den Dingen", Juni 2015,
enthält 15 neue Gedichte und zwei Grafiken,
Sophie Taeuber und Hans Arp
(c) Eva Wal |
Visionäres Baum-Gedicht
bewache Wurzel und Tor und Haupt
Verschlungene Wege mäandern im Stein
Lissabon 2015 |
Das Summen der Wege
Das Summen der Wege, Edition September 2014, (c) Eva Wal |
Verheißung für Schmetterlinge
Weiß schreit ein Busch im Schattenhof
Grafik: Verheißung für Schmetterlinge, Eva Wal. 2014 |
Mäander
Ich denke meine Kreise
in Augenschein mit verbündeten Planeten
Die Luft reicht meinen Sinnen einen Zweig
Mein Tag ist erdschwer und weltfern; mein Leben ein Mäander
Grafik: Mäander, Eva Wal, 2014 |
Verehrte, liebe Schwester
Januar 2014 |
(c) Eva Wal, VG Bild |
Landatem
(c) Eva Wal, VG Bild |
GRAU
Die Fliehkraft der Sehnsucht
Elixier und Totentanz
Am abgestorbenen Zweig schlagen heftig die Blätter aus
Frischer Saft durchströmt das geheime,
das übermächtige Grau
Es ist Morgen im Dorf, das noch
Aquarell und Tinte auf Aquarellpapier, 2012 |
Reigen des Glücks
Tiere
(c) Eva Wal, Prägedruck, Mai 2012 |
Schrift-Grafik (c) Eva Wal, März 2012 |
Start im Februar
(c) Eva Wal, Januar/ Februar 2012 |
Finsternis
(c) Eva Wal, Monotypie, Dezember 2011 |
III
Frau Lot
In Mänteln aus grünem Fleisch
Frau Lot floh aus der Nacht, dem Sternenhagel, dem Donnern der Möwenschreie,
Über die hohe See floh Frau Lot, ohne sich umzudrehen
nächtlicher fluss
(c) Eva Wal, Seezeiten |
Die Steine tragen Moosjacken und die Bäume Rindenmäntel.
Suomi, Sommer 2011 |
Küsse und Pfeile
Mein Atem ist ein beängstigender Schatten
Ein flatternder Vogel ist in meinem Herz gefangen
Er ruft den Frühling aus
Er ruft nach Freiheit
Ich winde die Worte wie Schnüre durch die Luft der Tage
Meine Seele ist ein Baumhaus für Gedichte
Eulen leben darin
Mit gelben Augen durchdringen ihre Blicke den Wald
der taubstummen Bäume
Die Sterne haben mich geweckt mit ihren kalten, lächelnden Schwertern
Am Morgen fahre ich durch das ausgebreitete Meer
der Erschöpfung
Ich pflücke Worte aus dem Schlaf
Wecke meine Fingerspitzen,
die Stellen zwischen den Fingern,
die Stellen zwischen den Zehen
mit Küssen und Pfeilen
Rehe! Weiße Rehe mit roten Augen und Katzenhaaren
springen mir entgegen
Ich sinke an Deine Brust
im honigdicken Gras
in Gezeiten
meine Wunden im Muschelwald
II
Der erste Tag