Sonntag, 8. November 2020

meer


heute ist ein vogeltag

ein wolkentag

ein wegetag

ich schlängel mich hindurch

oben: vögel enthüllen ihr licht

unten: schalen voll schaum und salz

ich sitze im rauschen und in mir ist es still

kein gedicht keine geheimnisse

meer.




































Norden


Spiegel schießen

durch Wolken

Atem reißt auf

das Meer meine Kraft


Kopf fliegt davon

Hagebuttenampel

über den Dünen


Unter die Wellen habe ich

meinen Rücken gelegt

warm ist es dort und still


Da oben die Drachen

Geheimnisse grölend

saufen Schnaps und

schneiden sich an Wolkenfetzen


Tiefer und tiefer sinkt der

Himmel schmilzt in den Strom

gen Norden.





































Montag, 2. November 2020

#SangUndKlanglos

Seit heute gilt der "Lockdown light", der vor allem die Kultur und die Gastronomie sowie Sport- und Fitnesseinrichtungen trifft.

Für mich persönlich wird sich nicht viel ändern. Glück gehabt!

Zwar habe auch ich Ausfälle und fast das komplette Brachliegen meiner freiberuflichen Workshops zu beklagen und als nicht mehr Soloselbständige keinen Anspruch auf Kompensation, auch wenn das Einkommen dann nicht reicht - es reicht ja eben doch. Wie viele bin ich bereit, mich einzuschränken, zu verzichten, weniger zu konsumieren und zu reisen. Doch gibt es diese Bereitschaft zum Verzicht auch bei denen, die nicht sowieso schon bescheiden leben und sich unseres allgemeinen Wohlstands hierzulande bewußt sind? Zum Beispiel bei jenen, denen kein Cent ihres Gehalts wegbricht, während andere ihre Jobs und Aufträge und irgendwann auch ihre Kundschaft und Moral verlieren?

Kein Gejammer hier, es geht ums Ganze. Um Existenzen und die Kultur. Schwer vorzustellen, dass sie sich von einem solchen Schlag noch erholen kann, abgesehen davon, dass wir ja noch gar nicht wissen, wie es weitergeht nach dem November, für den die Maßnahmen erst einmal gelten. Viele meiner Kollegen und Kolleginnen landen spätestens jetzt bei Hartz 4 und werden da bleiben. Peng. Das hat nicht nur mit Geld zu tun, sondern mit der ideellen Lebensgrundlage. Das eigene Leben zu gestalten mit dem, wofür man sich berufen fühlt. Viele kleine Existenzen verlieren jetzt das, was sie sich aufgebaut haben. 

Dass Mittel zur Verfügung gestellt werden, ist die eine Sache, die andere ist, dauerhaft davon abhängig gemacht zu werden. Die Kreativen legen nicht die Hände in den Schoß, und viele sind das Improvisieren gewohnt - aber wie lange reichen die Ideen und die Motivation? Wie weit können Online-Angebote überbrücken? Alles, was hilft, macht Mut. Gut, dann fangen wir eben von vorne an oder machen woanders weiter. Doch: musste dieser Lockdown wirklich so pauschal die ganze Kultur, Gastronomie und Sporteinrichtungen treffen? Als Spaß-Branche etikettiert, in einen Sack gepackt und zugeschnürt, um die Schulen offen zu halten? Das ist keine Logik, sondern blanker Hohn und riecht nach Bauernopfer.

Bei allem Verständnis für Einschränkungen kann ich nicht nachvollziehen, warum der Verzicht auf einen Besuch in einem Museum oder Konzertsaal mit beispielhaftem Hygienekonzept und guter Lüftungsanlage die Welle brechen können soll, überfüllte Busse aber hinzunehmen sind. Warum man nicht in einem Café unter Befolgung der Regeln und angebrachten Restriktionen sitzen kann, sich aber bei Ikea oder Saturn auf den Füßen stehen darf.

Im Sommer war ich auf Lesungen, Konzerten mit strengsten Hygiene-Auflagen. Es war wie Balsam nach dem ersten Lockdown. Mir wurde so sehr bewußt, wie kostbar und nährend die erlebte Kultur ist. Das Teilen von Sprache und Klang oder dem gemeinsamen oder auch einsamen Betrachten von Bildern. Essentiell!

Andrerseits waren auch die Online-Treffen, Workshops und Lesungen eine Bereicherung und oft auch eine Möglichkeit, gerade mit Freund*innen und Kolleg*innen im Ausland im Austausch zu bleiben und ihn sogar zu intensivieren. Doch das eine kann das andere nicht ersetzen, zumindest nicht langfristig.

Im September fanden die offenen Ateliers in der Bonner Altstadt ebenfalls unter strengsten Auflagen statt. Hunderte von Menschen kamen und standen geduldig Schlange. Unter den Besucher*innen war keine einzige Person, die sich nur ansatzweise nicht daran gehalten hätte.

Und jetzt dieser Tiefschlag!

Mir persönlich fällt es im Moment schwer, daran zu glauben, dass wir mit diesen Maßnahmen aus der Krise kommen. Ist es pessimistisch, zu glauben, dass nicht nur die Infektionen, sondern auch die  Kollateralschäden durch die Decke gehen werden? Ich glaube an das verantwortungsvolle Verhalten einer/ eines jeden. Doch wird das durch diese Maßnahmen befördert?

Ich fühle mich hilflos und spüre Wut in mir aufsteigen. Doch ich möchte die Moral behalten und sagen: Kopf hoch und weiter machen. Schreiben, malen, Yoga machen. Meditieren, Bewegung an der frischen Luft, gutes Essen und nicht zu viel Schokolade. Kontakte halten, über Telefon, Chats und per Post. Das ist mein Weg. Das geht alles, und dafür bin ich dankbar!

Ich möchte aber auch kämpfen und Mitgefühl, Solidarität äußern. Vor allem sind wir nicht alleine auf der Welt. Weiterhin wandelt sich das Klima, ertrinken Flüchtlinge da draußen auf den Meeren, verhungern Menschen, sterben durch Gewalt und nicht zuletzt an den Folgen von Ungerechtigkeit, Macht-, Habgier und Vergessen. 

Daher möchte ich den aktuellen Beitrag und den Blog von Fabian Scheidler gerne empfehlen, denn er bietet den globalen Blick über den Tellerrand:

Hier eine Aktion am ersten Tag der neuen Verordnungen: 

"Um unserem Unmut über den Umgang mit Kunst und Kultur Ausdruck zu verleihen, werden wir am Montag, den 02.11.2020 um 20 Uhr Videos, Livestreams und Beiträge unter dem Hashtag #SangUndKlanglos auf allen verfügbaren Medien veröffentlichen, die individuell dargestellt Stille zeigen. Von den großen Kulturinstitutionen bis zum einzelnen Künstler sind alle herzlich eingeladen, daran teilzunehmen.

„Alarmstufe Rot“ wird uns dabei unterstützen.

Wir, die Münchner Philharmoniker, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, die Bayrische Staatsoper und viele andere Orchester werden beispielsweise zum Konzert auftreten, aber nichts spielen. Und nach ca. 20 Minuten Stille wieder abtreten.
Seid gerne kreativ. Ob Livestream aus dem Proberaum, Wohnzimmer… oder nur ein Stillleben (Notenständer, Staffelei, Ballettschuhe…..)."


Und last not least:

Meine November-Bilder zur Stille und zum Herbst, ob grau oder golden:






Kopf hoch und weiter!

Sonntag, 1. November 2020

Das rote Haus


Ein Horizont umkreist die Welt, steht unberührt und unverrückt. Ich klettere entlang der Tropfen, das singende Grau umhüllt mich wie luzide Federn. Im roten Haus bellen meine Träume. Die leeren Räume bereit für uns, dich und mich zu umfassen, zu halten. Ich teile die Zimmer auf: Du unten, mit Werkstatt dazu, ich oben im Dach, mit der Vogelaussicht; hell und kühl, Farben, Pinsel, Papier und Tinte. Unten Holzfeuer und Dämmerlicht. Ein Bett in jedem Stockwerk und draußen ein Norweger Pferd im Stall, das durch die Dünen und Hagebutten trabt. Rote Lampen im Wächtergras; mal schneidend, mal mild streifen uns die Halme. Der Weg führt an den gekrümmten Hecken vorbei vom Haus zum Meer. Ich kann Ebbe und Flut nicht unterscheiden, nicht Tag und Nacht, meine Handschrift nicht von den Spuren des Winds auf dem Sand. Wir werden kaum Besuch haben, denn hier ist nichts, heißt es, aber das ist mir gerade recht. Der Wind ist ein Wolf, der ums Haus streicht, ein Lamm, das den Wolf schlafen legt. Die Sonne wärmt vom anderen Ende der Welt. Ich umarme die ganze Welt und dich, bleibe gerne hier, an welchem Pol auch immer. Mein Fell ist dicht gewachsen, die Haut dünn, die Zähne elfenbeingelb; klackernd, mahlend bewachen sie meine Zunge, wie sie Wellen in den Sand malt. Dort steht das rote Haus, und das Pferd trabt vom Meer über den Weg nach Hause.









Zum Novemberbeginn

Dänemark, Jütland, Herbst 2020