Robert Porth heißt der Gründer, Kurator, Direktor, Architekt, Hausmeister und Putzmann des PP MOMA. Für das 2009 eröffnete Kunstmuseum baut er jeden Raum im Maßstab 12 x 12 x 8 cm selbst und verschickt ihn an Künstler/innen, denen es überlassen wird, ihre künstlerischen Konzepte zu verwirklichen. Die eingeladenen Künstler/innen schenken ihr Kunstwerk dem Museum.
Die einzige Besucherin eines jeden Raumes ist die 2,2 cm große Polly Pocket Puppe. Das Museum wird zur Puppenstube, oder wird die Puppenstube zum Museum?
Hier geht es zur Website: http://www.pp-moma.com/
Eva Wal, Ein Raum für Polly; Foto: Robert Porth |
Ein Raum für Polly
Dieser Raum gehört Polly. Ein kleiner Buddha aus Gips, der sich während seines Aufenthaltes bei mir in ihm aufhielt und verschiedene Positionen einnahm, ist wieder verschwunden.
Der Buddha hat seine Anwesenheit dokumentiert und für Polly hinterlassen: Als Dokument, als Bild, als Zeichen, als Spur, als Nachricht, als virtuellen, geistigen, gedanklichen Raum, als Möglichkeit, als Meditationsanweisung.
Der Buddha ist abwesend und zugleich anwesend, seine Präsenz ist vergangen und gegenwärtig.
Seine Nachricht an Polly lautet: Leere Lehre.
Eine kleine Geschichte
Dieser Raum ist Polly, der Besucherin und Betrachterin, gewidmet. Die physische Anwesenheit des Buddhas, der in etwa zwei Drittel seiner Originalgröße auf dem Bild an der Wand zu sehen ist, muss man sich vorstellen, erspüren, erdenken, gleichsam erinnern.
Als der Raum bei mir zu Gast war, musste ich mir die physische Präsenz der Puppe Polly denken. Dies stellte sich als problematisch heraus.
Sofort, wenn ich die Raumbeleuchtung einschaltete, nahm ich gedanklich Besitz von diesem Raum und er von mir: Meine Gedanken flogen in ihn hinein wie Motten in ein erleuchtetes Zimmer. Zwei Buddhas aus Gips, die in meinem Wohnzimmer ein meditatives Dasein fristen, waren bald auch in den Bann des strahlend weißen Raums gezogen. Ich war überzeugt, dass sie in diesen Raum gehörten, da sie auch hineinpassten, und ich begann zu spielen und zu probieren. Bald hatte ich entschieden, den Boden weiß zu streichen und somit einen ganz reinen Gedankenraum zu schaffen. Ich strich und spielte und strich und probierte und dachte. Gleich, wenn ich nach Hause kam, wurde das Licht angemacht, und meine Gedanken flogen und kreisten und flogen… Partner und Freunde wurden miteinbezogen: „Was meinst Du dazu?“, „Wie findest Du das?“
Dieser experimentelle Prozess ist auf verschiedenen Foto- und Filmdokumenten festgehalten.
Aber die Krux an allem war Polly, die abwesende und zukünftige Besucherin und Betrachterin. Immer, wenn ich mir die kleine, bunte Plastikpuppe in diesem Raum mit einem oder zwei Buddhas vorstellte, funktionierte die aktuelle Idee nicht mehr.
So baute ich mir aus drei kleinen, rechteckigen, in bunte, glänzende Papiere eingewickelte Kaubonbons eine Stellvertreterin. Die drei aufeinandergestapelten Bonbons ergaben eine Höhe von ziemlich genau 2,2 cm, der Normgröße von Polly.
Nun fand ich auch eine Position mit einem der beiden Buddhas, die auch mit Polly funktionierte. Sie wurde fotografisch festgehalten, um dem Museumsdirektor und Ausstellungsbauer Robert Porth mittels der Fotografie den gewünschten Standpunkt des Gipsbuddhas mitzuteilen - denn ich wollte die Gipsfigur nicht am Boden festkleben. Dies widerstrebt mir erstens, und zweitens hatte ich ein erweiterbares Konzept für diesen Raum im Hinterkopf.
Schon stand die Verpackungskiste auf dem Tisch neben dem noch erleuchteten Raum, als sich mein Experimentiertrieb mit einer praktischen Überlegung verbündete: Ich dachte, das Foto in den Raum hinten an die Wand zu stellen, damit es nicht knickt und nicht übersehen wird. Aber aus einem wohlbekannten Winkel meines Hirns meldete sich eine Stimme: Drucke das Bild doch mal ganz genau auf die hintere, frontale Wand passend aus und füge es in den Raum ein!
Gesagt getan und geschaut und den Buddha herausgenommen und an Polly gedacht - schon waren die Kaubonbons überflüssig geworden, denn auf einmal war mir ganz klar: So funktioniert dieser Raum für Polly, und nur für Polly. Buddha bleibt hier, der Raum geht mit seinem Bild auf die Reise!
Polly
Meistens halte ich mich in musealen Räumen als Betrachterin und Besucherin auf, aber auch als Vermittlerin einer institutionalisierten Kunst, um mit dem Erfolg anderer ein kleines Einkommen zu verdienen, mit dem ich selbst Kunst schaffe. In dieser durchaus bereichernden Arbeit vertrete ich eine Institution, die mich als Künstlerin nicht vertritt, sondern kreative Kapazitäten bindet und somit vereinnahmt. Mein eigener künstlerischer Weg verläuft weitgehend jenseits von kuratorischer Aufmerksamkeit und Anerkennung und diesbezüglichem Erfolg. Die Krümel, die vom museal gedeckten Tisch fallen, reichen nicht aus, sich eine Künstler-Existenz aufzubauen.
Eva Wal, Ein Raum für Polly, Prozessdokumentation |
Als freie Künstlerin stelle ich die Institutionalisierung von Kunst grundsätzlich in Frage. Obwohl museale Räume wichtige Zugänge und Freiräume schaffen, sind die Risiken und Nebenwirkungen dieser Errungenschaften die gleichzeitig unvermeidliche Schaffung von Hierarchien, Bildung von Eliten und Abhängigkeiten von den Kräften, die Macht und Geld repräsentieren.
Doch ob gekauft oder nicht; ob gefragt, kuratiert oder ausjuriert: Immer weiß ich um diese radikale, treibende Kraft in mir, die mich zur Künstlerin macht, und für deren Wirkung und Entfaltung ich stetig arbeite.
Das Projekt PP-MOMA hat mich inspiriert. Die Idee, diese Räume im Polly-Pocket Maßstab marktunabhängig, auf der Basis von freundschaftlichem, engagierten Geben und Nehmen zu betreiben, ist ein Beitrag zu Offenheit, Kommunikation, Emanzipation und Autonomie in der Kunst.
Mit Freude habe ich festgestellt, dass ich, nachdem ich mich als Künstlerin, als schaffende und gestaltende Kraft, in die Sogwirkung dieses Raumes begeben hatte, den Schritt wieder auf die andere Seite gemacht habe: Zu Polly, die ich ja auch selbst bin.