Freitag, 29. März 2019

Fantôme


Fantôme


Astlöcher, fest verschlossen
meine dunklen Augen

Barfuß, pieds nu, stehe ich auf der Wiese
La pelouse säuselt sie, denn sie weiß,
dass ich süße Worte liebe wie
süßen Kuchen.

Auch, wenn pelouse nicht Wiese,
sondern Rasen heißt;
das Licht liegt auf ihrem Rücken und
knipst sich aus.

Pré humide, Feuchtwiese, sagt sie nun,
dreht sich um, neu erwacht, den Leib nach oben
gedreht zum Himmel.

Sie spricht Blumen mir, weiß, rosa, blau
Ein zartes Farbenspiel schwebt über den Spitzen
ihrer Halme, trudelnde Schmetterlinge, leicht
beschwipst vom Frühling.

Aus ihrer Mitte ragt das Nichts auf.

Arbre, ein Baum, hoch und grau,
von seiner Schale steigt heller Nebel
und die Wiese flüstert: la brume.

Aus dem Inneren des Baumes
dringt eine Gestalt hervor,
wächst heran, erscheint, Licht und Schatten
schneiden Konturen aus dem Mark.
Runzeln trägt sie wie Risse in der Haut.

Am ausgestreckten Arm hält sie
ein Feuer vor sich, die Stimme meines fantôme,
die Zunge, la langue, die Sprache, ein Tönen und
Rauschen über der pré humide.

Das Licht erhellt meine Augen,
die nun Wolken sind, nuages, hell und blau
wie eine Vorstellung vom Wind, les yeux bleu-mistral.

Mein fantôme ist ein schöner, schlanker Wolf
Grau mit weißen Haarspitzen und leuchtend
roten Augen.

Im Blumenrauschen auf der feuchten Wiese
vereinigen wir uns
vor dem großen Nichts,
                                    rien.



Donnerstag, 7. März 2019

Le Petit-Déjeuner


Die Straßen, die zum Eiffelturm führen, sind gerade. Die Platanen, die zu seinen Füßen auf dem Champ du Mars im Spalier stehen, haben quadratisch frisierte Baumkronen. Kästen sind es nun, Kästen mit Ästen, auf gefleckte Baumstämme gesetzt, Affen turnen und schreien darin.
Vögel wandern unermüdlich auf den geraden Straßen und tragen Bettelschalen. Vogelstrauße, Krähen und Amseln. Kleine Sperber hüpfen auf der Mittellinie entlang oder reiten auf den Straußen mit ihren mächtigen Federn. Manche haben orange leuchtende Löwenmähnen, was überhaupt nicht passt.
So wird es dem Eiffelturm schwindlig, wie sie alle auf ihn zu kommen wie Gestöber, und er entsendet Segelboote aus seinem Haupt, das eine Spitze ist. Monsieur Eiffel wohnt dort oben höchstpersönlich. Da er gerade schläft, verpasst er dieses Ereignis. Er schläft heute besonders lange, weil er eine Kommission empfangen will. Dafür will er frisch rasiert und ausgeruht sein.
Ein paar Affen sind zu ihm hochgeklettert und leisten ihm Gesellschaft beim Frühstückstee. Wenn doch nur der Turm nicht so wackeln würde! Der Tee schwappt aus der Tasse und verdirbt Gustave Eiffels Laune - fast. Nur fast zum Glück, denn so schnell läßt sich dieser große Mann nicht die Laune verderben. Seit er den Eiffelturm erdacht hat, ist er, Gustave, drei hundert Meter hoch. Wenn das kein erhebendes Gefühl ist!
Aber das war ja gar nicht der Grund, warum der Eiffelturm entstehen, sich erschaffen musste. Der wahre Grund für Monsieurs Traum, der sich zufälligerweise materialisierte, waren die Odeurs de Paris. Oui, Gustave hatte die Nase voll, im wahrsten Sinne des Wortes. Von diesem Gestank in den Straßen von Paris, dieser so herrlichen, prächtigen, eingebildeten Stadt.
Doch hier oben, das muss man unbedingt bemerken, ist die Luft ganz vortrefflich frisch. Nur, dass der Eiffelturm Höhenangst hat, damit hatte niemand gerechnet. Und wenn es ihm dann so schlecht wird, muss er sich schon einmal übergeben. Nicht schön, nicht so schön für Paris, die Stadt unter ihm, wenn sich der Kotzstrahl des Tour Eiffel über das Häuser- und Straßengewimmel ergießt.  Nur, woraus besteht denn dieser Kotzstrahl? Was isst denn Monsieur Eiffelturm so? Was, zum Beispiel, nimmt er zum Frühstück ein? Vögel! Vögel aus feinster Schokolade, das ist alles, was er zum petit-déjeunieren liebt. Etwas anderes kommt für ihn nicht in Frage. Die Affen bringen ihm immer den feinsten Konfekt und einen Strauß Mimosen, denn das ist der einzige Duft, den Gustave hier oben vermisst. Wenn ihm doch nur nicht so schwindlig wäre.
Der Konfekt kommt aus den kastenförmig geschnittenen Bäumen, Platanen sind es natürlich, und ist so natürlich wie die Bäume. So wie der Perserkönig Xerxes den Schatten der Platane besang, deren Nutzlosigkeit für Luxus stand, so besingt Gustave Eiffel den Konfekt, der ihm, pardon, dem Turm, zum Früchstück gebracht wird mit einem Strauß leuchtend gelber Mimosen aus dem Blumenladen.
Ihr habt bemerkt, die beiden, Gustave und sein Turm sind verschmolzen, und dieser Text ist nicht mehr rein. Nicht das gelegentliche Übergeben des Eiffelturms hat ihn verunreinigt. Nein, König Xerxes, der hier nichts verloren hat mit seiner albernen Arie ombra mai fu.
Gefährlich, gefährlich schwankt nun der Eiffelturm, und wir verabschieden uns mit den wunderbaren Vögeln. Mit Schnee in den Augen und Strahlen in der Kehle fliegen wir davon. 



 Paris, 2. März 2019

(c) Eva Wal