Die Straßen, die zum Eiffelturm führen, sind gerade. Die Platanen, die zu seinen Füßen auf dem Champ du Mars im Spalier stehen, haben quadratisch frisierte Baumkronen. Kästen sind es nun, Kästen mit Ästen, auf gefleckte Baumstämme gesetzt, Affen turnen und schreien darin.
Vögel wandern unermüdlich auf den geraden Straßen und tragen Bettelschalen. Vogelstrauße, Krähen und Amseln. Kleine Sperber hüpfen auf der Mittellinie entlang oder reiten auf den Straußen mit ihren mächtigen Federn. Manche haben orange leuchtende Löwenmähnen, was überhaupt nicht passt.
So wird es dem Eiffelturm schwindlig, wie sie alle auf ihn zu kommen wie Gestöber, und er entsendet Segelboote aus seinem Haupt, das eine Spitze ist. Monsieur Eiffel wohnt dort oben höchstpersönlich. Da er gerade schläft, verpasst er dieses Ereignis. Er schläft heute besonders lange, weil er eine Kommission empfangen will. Dafür will er frisch rasiert und ausgeruht sein.
Ein paar Affen sind zu ihm hochgeklettert und leisten ihm Gesellschaft beim Frühstückstee. Wenn doch nur der Turm nicht so wackeln würde! Der Tee schwappt aus der Tasse und verdirbt Gustave Eiffels Laune - fast. Nur fast zum Glück, denn so schnell läßt sich dieser große Mann nicht die Laune verderben. Seit er den Eiffelturm erdacht hat, ist er, Gustave, drei hundert Meter hoch. Wenn das kein erhebendes Gefühl ist!
Aber das war ja gar nicht der Grund, warum der Eiffelturm entstehen, sich erschaffen musste. Der wahre Grund für Monsieurs Traum, der sich zufälligerweise materialisierte, waren die Odeurs de Paris. Oui, Gustave hatte die Nase voll, im wahrsten Sinne des Wortes. Von diesem Gestank in den Straßen von Paris, dieser so herrlichen, prächtigen, eingebildeten Stadt.
Doch hier oben, das muss man unbedingt bemerken, ist die Luft ganz vortrefflich frisch. Nur, dass der Eiffelturm Höhenangst hat, damit hatte niemand gerechnet. Und wenn es ihm dann so schlecht wird, muss er sich schon einmal übergeben. Nicht schön, nicht so schön für Paris, die Stadt unter ihm, wenn sich der Kotzstrahl des Tour Eiffel über das Häuser- und Straßengewimmel ergießt. Nur, woraus besteht denn dieser Kotzstrahl? Was isst denn Monsieur Eiffelturm so? Was, zum Beispiel, nimmt er zum Frühstück ein? Vögel! Vögel aus feinster Schokolade, das ist alles, was er zum petit-déjeunieren liebt. Etwas anderes kommt für ihn nicht in Frage. Die Affen bringen ihm immer den feinsten Konfekt und einen Strauß Mimosen, denn das ist der einzige Duft, den Gustave hier oben vermisst. Wenn ihm doch nur nicht so schwindlig wäre.
Der Konfekt kommt aus den kastenförmig geschnittenen Bäumen, Platanen sind es natürlich, und ist so natürlich wie die Bäume. So wie der Perserkönig Xerxes den Schatten der Platane besang, deren Nutzlosigkeit für Luxus stand, so besingt Gustave Eiffel den Konfekt, der ihm, pardon, dem Turm, zum Früchstück gebracht wird mit einem Strauß leuchtend gelber Mimosen aus dem Blumenladen.
Ihr habt bemerkt, die beiden, Gustave und sein Turm sind verschmolzen, und dieser Text ist nicht mehr rein. Nicht das gelegentliche Übergeben des Eiffelturms hat ihn verunreinigt. Nein, König Xerxes, der hier nichts verloren hat mit seiner albernen Arie ombra mai fu.
Gefährlich, gefährlich schwankt nun der Eiffelturm, und wir verabschieden uns mit den wunderbaren Vögeln. Mit Schnee in den Augen und Strahlen in der Kehle fliegen wir davon.
Paris, 2. März 2019
(c) Eva Wal |