Mond am Morgen. Taucht so nah über der Autobahn auf wie ein Jumbojet kurz vor dem Aufsetzen auf die Landebahn. Klebt wie ein Wahnsinniger im Himmel, prangt, leuchtorange. So eng am Horizont, so nah den frostigen Feldern, als sei er betrunken zur Erde gekommen in der Nacht, habe sich kurz ausgeknipst, um nicht gesehen zu werden, unerkannt zu bleiben und es dann nicht mehr an den Himmel geschafft, um von dort aus rechtzeitig unterzugehen. Nun steht er da, eingeschweißt in den Morgen, die taubenblaue Helligkeit, kann nicht rollen oder torkeln. Sein riesiges Auge, nur Pupille, orange, vielleicht essbar oder toxisch, glotzt dem Sonnenaufgang ins Gesicht, der sogleich zartrosa zerfließt. Eins mit Aurora wollte er werden, der blass leuchtende Riesenkörper, rosa und leicht, schwebend, doch sein Orange ist gemacht zum Prangen und nicht zum Vergehen. So bleibt die Sehnsucht zwischen beiden, Sonne und Mond, am Scheideweg des Horizonts, zerschnitten die Hoffnung, durchtrennt. Doch da steigt die Sonne aus dem Rosa und der Mond ist auf einmal verschwunden, hinausgefallen aus dem Bild. Ich schreie im Auto auf dem Weg zur Arbeit, aufgeregt, als hätte ich dem sonst so unfehlbaren Planeten ertappt bei seinem Coup; in seiner Verirrung, seiner Leidenschaft, dem erstarrten Leuchten am falschen Ort, mitten auf der Autobahn als falscher Jumbojet. Ein Morgenwunder.
Ein einzelner Vogel sitzt auf der Spitze eines Baumes. Äste und Zweige Zeichensprache.
Fenster auf: Vögel über dem Hügel, in die Luft geworfen,
feingepunktet wie Mohnkörner, sirrend in Nebelgischt, zerstäubtem Glas. Vögel unsichtbar in den Bäumen und Wipfeln überall im und um das Dorf, das Haus, das Land, die Welt. Unbekannte Vögel und Vogelarten, ihr seid meine Stimme, mein Rauschen!