Samstag, 12. August 2023

Interview und Text zur Ausstellung

Dokumentation 5/6 Postings "Ins Blaue hinein"


 
 
 
 

Galerie ins Blaue, August/ September 2023


Projekt „Den Raum erweitern“
 
Honsberg 6 to 6


Erster Raum im Untergeschoss: eine wilde Mindmap auf Grundlage automatisch geschriebener Texte entstand bei zwei Spaziergängen in den Norden und den Süden von Honsberg an einem Montag, dem 7. August 2023. Der erste Spaziergang begann um 6 Uhr morgens bei Kälte und Regen in Richtung Süden. Der zweite um 18 Uhr in Richtung Norden. Die direkt danach entstandenen Texte, Notizen und Fragmente springen aus dem Schreibheft und verteilen sich auf dem Papier, wo sie explodieren. Dabei entstehen neue Wortschöpfungen, Reihen, Verbindungen, Wiederholungen, immer weitere Verknüpfungen, Textsynapsen, Mutationen und Metamorphosen, Konsonanz und Dissonanz. Eine große Öffnung in die Verfertigung der Sprache durch zeichnen, schreiben und sprechen; denn diese Mindmap lädt mehr zum (freien) Erzählen als zum Vorlesen ein. Linearität ist weitgehend aufgebrochen. Kairos, der richtige Moment, siegt über Chronos, die chronologische Reihenfolge der Ereignisse. Chaos und Ordnung oszillieren. Die Ordnung will Unordnung, die Unordnung will Ordnung, und so ist die Ruhe in der Unruhe. Es hört nie auf, alles fließt, sprudelt, quillt und strömt und brodelt.
Vorwärts und rückwärts Geschriebenes wechselt in nicht logisch nachvollziehbarer Art und Weise, jede Regel wird aufgebrochen und zur Ausnahme.
Für die Betrachter:innen stellt es eine zusätzliche Herausforderung und Geduldsprobe dar, die rückwärtsgeschriebenen Passagen oder Worte zu entziffern. Sie sind eingeladen, sich Zeit zu nehmen, sich den Text zu erarbeiten, aber auch, zu einem der an der Tür angehängten Handspiegel zu greifen und sich das Spiel zu erleichtern.
Schön, wenn bei der Erkundungsfahrt eigene Assoziationen einfließen und wieder neue Räume aufschließen. Mondsteinmoos, Schiefermammutwald, Fassadenrapunzelriss. Wer sich einlässt, wird Teil der fließenden Versuchsanordnung. Eine Momentaufnahme, ausgerolltes Denken, das doch nur einen Bruchteil des momentan Gedachten, Erlebten aufzeichnen kann.

Im hinteren Raum finden sich Wege in und aus allen Himmelsrichtungen zur oder von der Galerie ins Blaue.
Zunächst wurden sie auf einer Karte genau aufgezeichnet, um dann als abstrakte Zeichnung maßstabsungetreu befreit zu werden. Unter jeder Karte wechseln Straßennamen mit assoziierten Begriffen, wieder in unberechenbarer Folge vorwärts und rückwärts laufend. Weiterhin sieht man zwei gegenüberliegende Kreise, verbunden durch zwei Linien. In einer interaktiven Performance zur Eröffnung wurden sie mit Wörtern befüllt, auf Zuruf aus dem Publikum. Vorwärts und rückwärts, selbstverständlich.

Verknüpft wird die in situ-Arbeit durch eine Ausstellung im Obergeschoss und im Treppenhaus. Ausgewählte Werke aus rund eineinhalb Jahrzehnten meines multimedialen bildnerisch-literarischen Schaffens sind hier zu sehen.


Eva Wal